Neue Helden
Die postsowjetischen Obdachlosen (Bomgi) haben in den letzten Jahrzehnten auf dem westlichen Kunstmarkt eine unglaubliche Karriere gemacht. Oder, um korrekter zu sein, dank den postsowjetischen Obdachlosen wurden in den letzten Jahrzehnten die unglaublichen Kuenstlerkarrieren auf dem westlichen Kunstmarkt ermoeglicht.
Eine psychologisch leicht erklaerbare Konjunktur des Marktes im Sinne von "das Leiden anderer betrachten" und die entsprechenden Vermarktungsstrategien gestatteten eine triumphale Prozession der zahlreichen erschreckenden Fotografien von den Obdachlosen aus der anderen Seite des gefallenen "Eisernen Vorhanges" ueber die westlichen Galerien und Kunstmessen.
Dabei wurden die Bomgi (Obdachlosen) zu eine abstrakte, in der Konkretheit ihres kranken abstossendes Fleisches Masse. Ihre menschliche Individualitaet wurde zum Opfer auf dem Altar der Individualitaet des Bomg-spezialisierten Kuenstlers, trotzt allen seinen Erklaerungen ueber den humanistischen Charakter seiner Intentionen.
Gerade dieser juengsten Tradition stellt Andrei Loginov eine Serie der Portraits von Obdachlosen entgegen. Seine expliziten und impliziten Intentionen sind offensichtlich anders als beim Bomg-Kunst-Mainstream. Er will mit diesen Bildern keinen schockieren und erschrecken. Ganz im Gegenteil: Dahinter steht kein deklaratives, sondern ein de facto humanistisches Pathos. Die Obdachlosen sind hier die wahren Helden der Gegenwart, die Helden des Ueberlebens unter der Erbarmungslosigkeit des Kapitalismus.
Diese Helden sind auf dem Hintergrund des klaren blauen Himmel von einer a la Rodtschenko Perspektive von unten nach oben aufgenommen. Diese Art des Aufnehmens war eins der kanonischen sozrealistischen Stilmittel, welches haeufig bei den fotografischen Darstellungen der Helden jeglicher Art verwendet wurde. Die Helden, oder die Heroen, die sind doch urspruenglich die Mischwesen von Goettern und Sterblichen, die sind deswegen naeher zum Himmel.
Die runde Form der Bilder ist ein lebhaftes Spiel mit der Kunstgeschichte, welches oft in der Loginovs Arbeiten zu finden ist. Einerseits ist diese Form die Anspielung auf die runden Fresken der Renaissance, anderseits- auf ihren "Zitaten" in der heutigen Kunst, wie zum Beispiel, bei Jeff Wall.
Diese kunsthistorische Allusionen und die ikonografisch heroisierende Stilmittel erzeugen in der Arbeit einen gutmutigen Humor, welcher einen aufrichtigen Respekt zu den fotografierten Menschen noch verstaerken mag.